REZENSION
Herausgeber : Aufbau Taschenbuch
Erscheinungstermin : 8. Dezember 2025
Auflage : 2.
Sprache : Deutsch
Seitenzahl der Print-Ausgabe : 428 Seiten
ISBN-10 : 3746642507
ISBN-13 : 978-3746642505
Über das Buch
Eva führt mit ihrem Mann Daniel und dem gemeinsamen kleinen Sohn das perfekte Leben am Stadtrand. Oft hilft Sofia, die Tochter von Evas bester Freundin Susanne, als Babysitterin aus. Eines Nachts bringt Daniel die Fünfzehnjährige nach Hause, doch am nächsten Morgen ist sie spurlos verschwunden. Eine fieberhafte Suche beginnt. Als Sofias blutbefleckter Pullover gefunden wird, bricht Evas heile Welt zusammen. Ihr Mann beteuert seine Unschuld – doch kann sie seinen Worten Glauben schenken?
Meine Meinung
Wem du traust“ von Petra Johann hat mich auf eine Weise berührt, überrascht und beschäftigt, wie es nur wenige Thriller schaffen. Es ist nicht nur ein Spannungsroman – es ist eine Geschichte über Nähe, Vertrauen und darüber, wie schnell ein ganzes Leben ins Wanken geraten kann, wenn Gewissheiten zerbrechen. Je weiter ich gelesen habe, desto mehr hatte ich das Gefühl, Teil dieser Familie zu sein, Zeuge einer Katastrophe, die sich langsam, aber gnadenlos entfaltet.
Was mich von Anfang an gefesselt hat, war die Normalität, die das Buch ausstrahlt. Eva, Daniel, ihr kleiner Sohn – das alles wirkt wie ein ganz gewöhnliches Familienleben. Kein Drama, keine großen Konflikte. Und genau deshalb trifft es mich als Leser umso heftiger, als Sofia verschwindet. Es ist diese Vorstellung, dass das Schrecklichste oft dann passiert, wenn wir uns am sichersten fühlen. Dieser Moment, in dem der Boden plötzlich nachgibt. Für mich war das der Augenblick, wo aus Neugier echte Betroffenheit wurde.
Ich habe unglaublich stark mit Eva mitgefühlt. Ihre Gefühle sind so fein, so ehrlich beschrieben, dass ich sie fast körperlich spüren konnte: dieses nagende Misstrauen, das man eigentlich nicht zulassen will; die Angst, dass der Mensch, den man liebt, nicht der ist, für den man ihn gehalten hat; die Hoffnung, dass alles doch nur ein Missverständnis ist. Ihre emotionale Achterbahnfahrt ist so glaubwürdig, dass ich mich mehrmals gefragt habe, ob ich an ihrer Stelle überhaupt noch klar denken könnte.
Was mich dabei besonders beeindruckt hat, ist der Schreibstil von Petra Johann. Er ist ruhig, unaufgeregt und dennoch voller Spannung. Sie baut kein lautes Drama auf, kein künstliches Tempo – stattdessen lässt sie die Situation organisch wachsen. Die Atmosphäre ist dicht, fast bedrückend, aber nie übertrieben. Jeder Satz hat ein Gewicht, jede Szene erfüllt einen Zweck. Der Stil wirkt klar, fast sanft, und gerade deshalb entfaltet die Geschichte eine enorme Wucht. Man rutscht Kapitel für Kapitel tiefer hinein.
Die Charaktere sind ebenfalls herausragend gestaltet. Daniel zum Beispiel ist so ambivalent, dass ich ständig zwischen Sympathie und Skepsis geschwankt habe. Man will ihm glauben, aber gleichzeitig fragt man sich, ob er mehr weiß, als er zugibt. Auch Susanne ist eine Figur, die mit ihren eigenen Sorgen, Ängsten und blinden Flecken kämpft – und durch sie wird deutlich, wie fragil Freundschaften werden können, wenn ein Kind verschwindet. Jede Figur trägt ein Stück des Mysteriums in sich, und man ertappt sich selbst dabei, jedem abwechselnd zu misstrauen.
Zudem setzt die Autorin viele kleine Wendungen ein, die so geschickt platziert sind, dass sie mich jedes Mal neu überrascht haben. Nichts wirkt konstruiert, nichts dient nur dem Effekt. Jede neue Erkenntnis fügt sich später zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Am Ende saß ich wirklich kurz da und musste erst einmal durchatmen – so intensiv war das Gefühl, das mich beim Lesen begleitet hat.
Was mir nach dem Ende besonders nachging, war die zentrale Frage des Buches:
Wie gut kennen wir die Menschen wirklich, mit denen wir unser Leben teilen?
Diese Frage bleibt im Kopf, auch nachdem man das Buch zugeklappt hat. Und sie ist unbequem – aber genau deshalb wirkt die Geschichte so lange nach.
Für mich ist „Wem du traust“ ein außergewöhnlicher Psychothriller. Tiefgründig, emotional packend, realistisch erzählt und mit einer Atmosphäre, die mich bis zur letzten Seite festgehalten hat. Es ist eines dieser Bücher, die man nicht nur liest, sondern erlebt.
⭐⭐⭐⭐⭐
Für das Rezensionsexemplar bedanke ich mich bei Vorablesen den Aufbau Taschenbuchverlag und natürlich bei Petra Johann.
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